Sommerlethe

Tree Face

Im Sommer bin ich irgendwann im eher kühlen Treppenhaus nach unten gegangen und hatte zwischen drei oder vier Treppenstufen eine wunderbare Idee für ein Kunstprojekt. Ich fand es albern, mir davon gleich eine Notiz zu machen … und jetzt ist es verschwunden.
Auf der Seite Aktionen gibt es als vorläufige Sommerernte immerhin ein neues Foto zu meinem fortlaufenden Letheprojekt.

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Übertragung

Es gibt zwei Zeilen in einem alten Gedicht von Tao Yuanming, die mich schon seit Jahren umtreiben. Es gibt viele unterschiedliche, immer mehr oder weniger wörtliche  englische Übertragungen:

Cage bird long for old forest
Pond fish long for deep old pool
Oder:
The caged bird wants the old trees and air.
Fish in their pool miss the ancient stream.

Aus den deutschen Übertragungen und mit Blick auf die englischen Versuche hab ich mir irgendwann meine Lieblingsvariante zusammengebastelt:

Der Vogel im Käfig sehnt heim sich zum Walde,
Dem Fisch im Teich bleibt unvergesslich sein See.

Daraus ergab sich irgendwann die Frage, ob sich ein Gartenteich auch nach dem Meer sehnen könnte und daraus ergab sich meine Gartenteichaktion (s. Aktionen), die statt Lethe vielleicht besser Weckruf heißen sollte.

Allerdings ist das Wasser vom Unterweltfluss Lethe nun mal flüssig, während ein Weckruf eher im Luftbereich angesiedelt ist, mit schrecklichen Weckerpiepstönen. Oder mit einem krähenden Hahn, der einen stracks zum Lied Der Hahn ist tot, der Hahn ist tot führt. Spätestens dann ist die Geschichte von der Erinnerung eines Gartenteichs an das riesige Salzmeer wieder vergessen.
Für meine Gartenteichaktion ist Lethe deshalb im Augenblick doch der bessere Titel …

Horch, was kommt von draußen rein?

Wenn man vom griechischen Wort für Wahrheit ein paar Buchstaben wegstreicht, trifft man plötzlich auf die gute alte Lethe: aletheia.
Es ist aber nicht wahr, dass man deswegen gleich in der dunklen Unterwelt am Fluss des Vergessens hocken muss, sondern ganz im Gegenteil, das Unvergessene liegt in der Wahrheit.
Durch das Wegstreichen von Buchstaben kann man natürlich alles und nichts beweisen. Zum Beispiel, wenn ich mich auf den schönen Begriff der brotlosen Kunst zurückbesinne, ist es im Zusammenhang mit der Auffassung von Wahrheit als dem Unvergessenen natürlich reizvoll, auch das deutsche Wort Unvergessenes zusammenzustreichen.
Eigentlich sollte jetzt noch ein eleganter Schlenker zum Metaphernbegriff kommen, aber mir schwirrt schon den ganzen Morgen das holahi-rufendes Vergissmeinnicht durch den Kopf:

Wenn ich dann gestorben bin, Hollahi, hollaho,
Trägt man ich zum Grabe hin, Hollahi, hollaho.
Setzt mir keinen Leichenstein, Hollahi, hollaho,
Pflanzt mir drauf Vergissnichtmein, Hollahi, hollaho.

Mehr dazu an einem anderen Tag …