ROSENFENSTERGEFÜHL
Unter diesem Titel ist pandemiebedingt seit 2021 hier auf dieser Website meine erste rein digitale Ausstellung zu sehen.
Ich habe beim Einstellen der Bilder versucht, meinen publikumsbezogenen Ansatz zu integrieren, den ich 2019 im Waldeinsamkeitssalon und im Rotkehlchenkabinett erprobt habe. Statt wie dort Bilder umherzureichen oder an der Wand zu enthüllen, habe ich hier einige Links eingestreut, und statt des gesprochenen Worts habe ich Texte bereitgestellt.
Und jetzt: Willkommen zur Ausstellung!
Intro
Vor einiger Zeit entstand in mir der Wunsch, meine eigene Version eines Rosenfensters umzusetzen, und zwar ganz traditionell als Ölgemälde.
Vielleicht wegen einer alten Backsteinkirche, neben der ich im Sommer 2019 drei Tage verbracht habe?
I.
Ein Kirchenfenster wollte ich malen, dunkel, aber auch hell und farbig, symmetrisch, aber nicht perfekt. Ein Rosenfenster.
Als Kind schon habe ich es geliebt, mit einer runden orangen Plastikschablone perfekte Mandalakonstrukte zu entwerfen. Das Machen war mir wichtiger als das fertige Ergebnis, das meist doch recht leblos wirkte, vor allem, wenn die geometrischen Formen nicht ausgemalt wurden. Aber die Möglichkeiten während des Konstruierens waren wundervoll!
Als Erwachsene konnte ich mich für keltische Knotenmuster und Triskelen begeistern, ohne jedoch die Geduld aufzubringen, eigenes präzises Flechtwerk zu entwerfen.
Heute interessiert mich vor allem die Frage:
Wie kann ich das, was mich an symmetrischen Konstruktionen fasziniert, darstellen, ohne selbst zu konstruieren?
Meine 2018 entstandene Tuschzeichnung mit dem Titel Freestyle Celtic Knot war ein erster Lösungsversuch. In der Wirkung womöglich etwas clownesk, und doch …
Für mein großartiges eigenes Rosenensterbild wollte ich diesen Weg weiterverfolgen. Mein Ölbild sollte leicht wirken, auf keinen Fall perfekt, aber der Ursprung der Symmetrie und der Regelhaftigkeit sollte noch erahnbar sein.
Ich entschloss mich zu Vorarbeiten und begann mit Nachempfindungen des oben im Foto zu sehnden Kirchenfensters, zuerst mit Bleistift und Knetradiergummi, dann mit Wachsstiften, schließlich mit einem Gemisch aus Kohle, Wachsstiften und Öl.
Auf Instagram veröffentlichte ich einige dieser kleinformatigen Vorarbeiten unter dem Projektnamen Doodle. Im Nachhinein finde ich den Titel nicht so gelungen, da er zu sehr vereinfacht. Andererseits werden Instagrambilder meist nur für einige Sekunden im Vorüberwischen auf dem Handymonitor angesehen, da passt der Titel vielleicht doch nicht so schlecht! Trotzdem, meine Vorarbeiten sollten mehr sein als Kritzeleien, sie sollten mir einen Weg zeigen zum perfekten Rosenfenstergekritzel.
Bei meinen kreisförmigen Vorzeichnungen zur eigenen Fensterrose ging es mir wie damals als Grundschulkind: Das Machen begeisterte mich mehr als das Ergebnis!
Außerdem hatte ich damit begonnen, mich mit gotischem Maßwerk zu befassen und fühlte mich besonders zu den im Mauerwerk vieler Spitzbogenfenster erahnbaren menschlichen Gestalten hingezogen.
II.
Wie von selbst wurden meine Vorarbeiten immer größer …
… und immer farbloser.
Irgendwann wurde mir klar, dass diese Din A2-Bilder ein Eigenleben führten. Obiges Bild kam sogar mit einem eigenen Namen daher: Forest Choir. (Waldkathedrale hätte auch gut gepasst!)
Plötzlich drängte sich der Wald in den Vordergrund. Oder war ich doch noch im Thema und warf unverhofft einen Blick aus dem glaslosen Fenster einer zerfallenen Waldkapelle?
III.
Wenn man sich im Wald verlaufen hat, muss man den Weg ja nur zurückgehen, um wieder nach Hause zu kommen. Ein altes Familienfoto aus meinem Rotkehlchenprojekt fiel mir vor die Füße, auf dem ich mit meiner Ersatzgroßmutter zu sehen bin. Ich hoffte, in einem weiteren Kohle-Wachs-Öl-Bild das anrührend Rotkehlchenhafte dieser Frau herausstellen zu können, aber es entzog sich mir und nur ein geisterhaftes Selbstbildnis im clownesk gemusterten Pepitamantel blieb zurück. Ich machte einen zweiten Versuch – und heraus kam das:
PS
Das geplante Freestyle-Rosenfenster, die ganze grandiose Serie von großformatigen Ölgemälden im Zeichen des Rosenfenstergefühls wartet noch immer darauf, gemalt zu werden!
Immerhin weiß ich jetzt: Was mich an meinem Foto der alten Backsteinkirche so angezogen hat, war weniger das Kirchenfenster als solches, sondern mehr die Durchsicht auf das kleine Fenster und den leeren Stuhl darunter.
Die Erinnerung an den Raum und die Stille.